Neubau 5. Schleusenkammer Brunsbüttel, Techn. Ausrüstung
Ausgangslage
Der 100 Kilometer lange Nord-Ostsee-Kanal zwischen Kiel-Holtenau und Brunsbüttel wurde 1895 eröffnet und ist heute die meist befahrene künstlich geschaffene Wasserstraße für Seeschiffe der Welt. Er verbindet das Baltikum mit Westeuropa und wird jährlich von 30.000 Frachtschiffen passiert. Durch die Nutzung des Kanals verkürzt sich die Fahrstrecke der Schiffe um 460 km (250 Seemeilen), was den CO2-Ausstoß reduziert sowie Zeit und Geld spart. Daher ist die Durchfahrbarkeit des Kanals und die Funktionsfähigkeit der Schleusen am Nord-Ostsee-Kanal von großer wirtschaftlicher Bedeutung.
Bisher gibt es in Brunsbüttel die Alte Kleine und die Neue Große Schleuse mit jeweils zwei Schleusenkammern. Die kleine Schleuse wurde 1895 eröffnet und hat zwei 125 m lange, 22 m breite und 10,2 m tiefe Kammern. 1914 wurde die Große Schleuse (Kammerlänge: 310 m, Kammerbreite: 42 m, Kammertiefe: 14 m) fertiggestellt. Da die dort verbauten Motoren und Antriebe inzwischen über 100 Jahre alt sind, kommt es immer wieder zu technischen Problemen und somit zu Sperrungen.
Um diese Sperrungen zu vermeiden, müssen beide großen Schleusenkammern grundinstandgesetzt werden. Dies bedeutet wiederum mehrjährige Sperrungen für den Schiffsverkehr. Daher wurde entschieden, erst eine 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel zu bauen und anschließend nacheinander die beiden großen Schleusenkammern zu modernisieren, was jeweils mindestens drei Jahre dauern wird. Durch dieses Vorgehen kann der Nord-Ostsee-Kanal auch weiterhin von großen Seeschiffen passiert werden. Darüber hinaus wird der Nord-Ostsee-Kanal in den kommenden Jahren weiter ausgebaut, indem die Fahrrinne vertieft, Kurvenradien verändert und neue Schleusen gebaut werden, um dem hohen Verkehrsaufkommen auch in Zukunft gerecht zu werden. Ein Abschluss des Gesamtprojekts „Ausbau Nord-Ostsee-Kanal“ ist derzeit nicht vor 2030 geplant.
Aufgabenstellung
Auf der Schleuseninsel zwischen der kleinen und der großen Schleuse in Brunsbüttel wird eine 5. Schleusenkammer gebaut. Dieses Projekt ist das derzeit größte Wasserbauprojekt Deutschlands. Die Schleusenkammer wird eine Länge von 360 m und eine Breite von 45 m haben (Nutzlänge: 330 m, Nutzbreite 42 m). Die Breite wurde identisch zu den vorhandenen großen Schleusenkammern gewählt, damit die Schleusentore (Schiebetore) bei Bedarf auch bei diesen Schleusen eingesetzt werden können, was die Verfügbarkeit der Schleusen erhöht und langfristig Kosten spart. Aus diesem Grund wurde der Bau von drei identischen Schleusentoren beauftragt, obwohl nur zwei für die neue Schleuse benötigt werden. Das zusätzliche Tor ist somit schnell verfügbar, sollte ein anderes beschädigt sein.
Wir haben die Planung der Elektrotechnik für diese Großbaustelle übernommen.
Leistungen
Vorbereitung:
Bevor die Entscheidung für den Neubau einer 5. Schleusenkammer in Brunsbüttel fiel, wurde eine Systemstudie durchgeführt, an der wir für den Bereich technische Ausrüstung Elektrotechnik mitgewirkt haben. Untersucht wurden hierbei verschiedene Umbau- bzw. Ersatzbaumaßnahmen sowie mehrere Grundinstandsetzungsvarianten. Zudem wurden durch uns die Entwurfs- und Ausführungsplanung sowie die Ausschreibungsunterlagen für die elektrische Ausrüstung beim Neubau der 5. Schleusenkammer erarbeitet.
Planungsleistungen für den Neubau der 5. Schleusenkammer:
Teil des Auftrags war die Planung der Mittelspannungsversorgung (20 kV), der Niederspannungsverteileinrichtungen, der Energieversorgung und der Steuerung der Torantriebe, der Schützantriebe sowie der Ballastierungseinrichtungen in den schwimmfähigen Schiebetoren. Außerdem wurden die Steuerungseinrichtungen mittels hochverfügbarer SPS-Steuerungen und die Anbindung an die vorhandene Schleusensteuerung geplant. Die Konzeption der Schleusenbeleuchtung sowie der Verkehrssignale für die Schifffahrt und für die Überquerung der Schiebetore durch den Straßenverkehr war ebenfalls unsere Aufgabe. Hinzu kamen die Planung der Video- und Lautsprechereinrichtungen, der Pegelmesseinrichtungen und der Erdungs- und Blitzschutzanlage sowie die Erstellung der Risikobeurteilung nach Maschinenrichtlinie. Für den Transport der neuen Schiebetore „über See“ wurden von uns Steuerungseinrichtungen für sog. Hebepontons geplant. Diese Hebepontons ermöglichen ein weiteres Anheben der Schiebetore sodass das benötigte höhere „Freibord“ der Schiebetore für den Seetransport erreicht wird.
Planungsleistungen an den vorhandenen Schleusen zur Vorbereitung der Baumaßnahmen:
Um das Baufeld für die 5. Schleusenkammer frei zu machen, mussten die Energieversorgung und die Leit- und Steuerungstechnik neu geordnet werden. Die Planung dieser Umstrukturierung wurde durch uns erbracht und umfasst unter anderem folgende Bereiche:
- Umbau der zentralen Gleichstromversorgung auf eine dezentrale Versorgung und Ansteuerung von 6 Schiebetoren und 12 Füllschützen
- Anpassung der Trafostationen Nord und Süd
- Umsetzung der 20 kV Übergabestation
- Einrichtung eines LWL-Netzes für die dezentrale Ansteuerung der Antriebe
- Umstrukturierung der Mittelspannungsanlagen und der Notstromversorgung
- Planung der Notstromversorgung über den schleuseninternen 20 kV Verteilerring mit einem Notstromaggregat (1.500 kVA) zur Versorgung der Verbraucher auf dem Schleusengelände
- Planung der Blindstromkompensation (300 kVA)
- Steuerungstechnik: Einsatz eines Simatic-S7 H-System mit ca. 30 Unterstationen, die über das gesamte Schleusengelände verteilt sind
Weiterhin wurden Planungsleistungen an der Ortssteueranlage (OSA) für die nautischen und verkehrstechnischen Anlagen durchgeführt sowie die Ausführungsplanung und die Werkstattpläne (Stromlaufpläne, Gerätestücklisten, einpolige Darstellungen etc.) für sämtliche Ausrüstungen der nautischen und verkehrstechnischen Anlagen an den fünf Schleusenkammern erstellt.
Herausforderungen und Besonderheiten
Bevor die Entscheidung zum Bau der 5. Schleusenkammer fiel, wurden elf Varianten der Grundinstandsetzung der Großen Schleuse im Rahmen einer Systemstudie untersucht und verglichen. Für das Gewerk Elektrotechnik waren wir an dieser Systemstudie beteiligt.
Vor dem Bau der 5. Schleusenkammer mussten alle Steuerungs- und Energieversorgungskabel der gesamten Schleusenanlage verlegt werden. Hierfür wurden ein neuer Düker unterhalb der Schleusenanlage und ein neues Betriebsgebäude gebaut. Die Lage der Baustelle auf der Schleuseninsel bringt weitere planerische und logistische Herausforderungen mich sich, da der Platz vor Ort sehr begrenzt ist und alle benötigten Maschinen, Materialien und Mitarbeiter über das Wasser zur Insel gebracht werden müssen. Außerdem wird am Ende des Projekts ein Großteil der Insel weggebaggert sein, weshalb große Mengen Material per Schiff abtransportiert werden müssen. Darüber hinaus müssen die Tiden der Elbe und der jederzeit zu gewährleistende Hochwasserschutz bei der Planung und Umsetzung des Projekts jederzeit berücksichtigt werden.
In die Tore der neuen Schleusenkammer werden 4 Füllkanäle mit doppelten Hubschützen integriert, die über Hydraulikzylinder angetrieben werden. Außerdem werden die Tore schwimmfähig sein, indem eine Lenz- und Ballastieranlage eingebaut wird.